Drohnenlieferung
Teil II
(Beginn in Teil I)
Alle haben die Nachricht gesehen, dass im Norden Deutschlands, in Schleswig-Holstein, über Kiel Drohnen fliegen. Die Zugehörigkeit der Drohnen zu Russland lässt sich nicht feststellen, deshalb schlage ich vor, diese Drohnen ab jetzt immer so zu nennen: Drohnen, deren Zugehörigkeit zu Russland sich nicht feststellen ließ.
Eine Drohne, Verzeihung, eine Drohne, deren Zugehörigkeit zu Russland sich nicht feststellen ließ, wurde definitiv dabei gesichtet, wie sie über die Werft von Thyssenkrupp flog, die Kriegsschiffe und U-Boote herstellt. Falls es jemanden interessiert: Sie befindet sich unweit des Zentrums auf der anderen Seite der Förde im Stadtteil Gaarden. Ich kann sie praktisch aus meinem Fenster sehen.
Ich denke, jeder hat mehr oder weniger von diesen Drohnen gehört. Aber kaum jemand weiß, dass eine von ihnen in der Abenddämmerung, genau in dem Moment, als ich Pornhub schaute, durch mein offenes Fenster hereinflog. Ich warf schnell die Decke über mich und lag da, unfähig, mich zu rühren. Ich dachte: „Das war’s. Das ist das Ende.“ Die Drohne schwebte unter der Decke und sank dann tiefer. Plötzlich öffnete sich eine Luke an ihrer Unterseite, aus der ein Gegenstand zum Vorschein kam. Völlig bewegungsunfähig, vor Angst gelähmt, erwartete ich meinen unvermeidlichen Tod.
Offensichtlich war dieser Gegenstand für mich bestimmt. Ich starrte schweigend. Die Luke öffnete sich ganz, aber der Gegenstand fiel nicht heraus. Die Drohne begann, auf und ab zu steigen und hin und her zu schaukeln, um diesen MacGuffin aus sich herauszustoßen, der mich zweifellos sofort getötet hätte, aber der Gegenstand wollte einfach nicht herausfallen. Die Drohne verharrte kurz, flog dann langsam zu mir und sagte mit Roboterstimme: „Hilf mir, Bitch!“ Ich sah mir den Gegenstand genauer an: Es war ein Umschlag, der im Frachtraum der Drohne feststeckte, und die Drohne forderte mich unmissverständlich auf, sie von dieser Verstopfung zu befreien. Vorsichtig zog ich mit einer Hand an dem Umschlag und konnte ihn erst beim zweiten Versuch an mich nehmen.
Die Drohne, deren Zugehörigkeit zu Russland sich nicht feststellen ließ, summte philosophisch: „Importsubstitution, Bitch!“ – woraufhin sie langsam zum Fenster defilierte und davonflog. Der Clip auf Pornhub neigte sich, den Geräuschen nach zu urteilen, gerade dem Ende zu: Erst jetzt, den Umschlag in der Hand haltend, bemerkte ich, dass der Laptop die ganze Zeit weitergelaufen war.
Auf dem Umschlag waren ein roter Hammer und eine rote Sichel abgebildet.
An: Sergej Alexandrowitsch E.
Ort: Kiel, Deutschland
Von: ******* *****
PERSÖNLICH AUSHÄNDIGEN
Als ich begriff, dass mir keine Gefahr drohte, zog ich, bereits ungeduldig, meine Unterhose an und öffnete den Umschlag. In der rechten oberen Ecke stand ein Epigraph: „Na, mein Söhnchen? Haben dir deine Polen geholfen?“ Dann folgte der Text, dessen Inhalt ich nicht preisgeben kann, und ein Postskriptum: „Wir wissen, wo du wohnst“, was, wie ich finde, etwas überflüssig war. Auf der Rückseite war ein großer QR-Code aufgedruckt. Ich scannte ihn: Es war ein Link zum Messenger MAX.
Ende des zweiten Teils.