Sören Erschau

Frankensteins Rabattkarte

Gestern habe ich den Erste-Hilfe-Kurs für die Anerkennung meines Führerscheins absolviert. Am Ende des Kurses verteilte der Lehrer, Dominik, der dem österreichischen Tennisspieler Dominic Thiem so sehr ähnelte, dass er es entweder selbst war oder alle neugeborenen Jungen mit diesem Aussehen im deutschsprachigen Raum gesetzlich verpflichtet sind, Dominik genannt zu werden, an alle Kärtchen. Normale Karten im Kreditkartenformat, auf denen man eintragen kann, ob man im Todesfall damit einverstanden ist, seine arischen (oder nicht ganz so arischen) Organe zur Transplantation freizugeben. Ich würde diese Karte die Frankenstein-Karte nennen. Klingt doch gut, ist leicht zu merken und trifft den Kern der Sache. Rabattkarte wäre auch nicht schlecht, aber zu abgedroschen.

Man konnte aus mehreren Optionen wählen:

Schade, dass man diese Frage nicht nach dem Tod beantworten kann und es im Voraus tun muss, aber so sind die Spielregeln.

Ich habe natürlich den ersten Punkt gewählt, aber nur, weil die Auswahl begrenzt war. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich die Transplantation meiner Organe an bestimmte Personengruppen verboten. Zum Beispiel an alle Propagandisten. Oder an Wladimir Solowjow, obwohl der eine widerstandsfähige Kakerlake ist und wahrscheinlich sogar eine Atomexplosion überleben würde. Auch an alle Bergsteiger (die stürzen sowieso ab). Und an diejenigen, die Ananas auf ihre Pizza legen – zumindest einmal in den letzten fünf Jahren.

Soll das alles lieber der oder die bekommen, die noch nie ein einziges Match bei Tinder hatte. Ihr verdient eine zweite Chance. Plus ein Extraleben.

„Hey, ich hatte noch nie ein Match!“
„Auf diesem Account vielleicht. Und auf dem letzten?“

Solche Schwindler wird das Deutsche Rote Kreuz schon aussortieren.

Heute rief mich meine Mutter an, und um sie aufzuheitern, erzählte ich ihr diese Geschichte. Meine Mutter machte sich große Sorgen und sagte, dass auf Leute wie mich, die sich zur Zerstückelung freigegeben haben, Jagd gemacht wird. Das habe sie im Fernsehen gesehen. Ich beruhigte sie damit, dass alles anonym sei, ich „nicht im Computer stehe“, die Karte nur in meinem Portemonnaie liegt und niemand etwas weiß. Das beruhigte sie.

Nach kurzem Nachdenken beschloss ich, mich noch ein wenig mehr abzusichern und Ihnen diese Geschichte zu erzählen. Jetzt fühle ich mich vollkommen sicher. Erzählen Sie es nur niemandem weiter. Und überhaupt habe ich der Transplantation widersprochen.