ICE und Faultier
Meine Beziehung zur deutschen Sprache ist kompliziert: Wenn es nicht wirklich drauf ankommt, verstehe ich alles und spreche ganz passabel.
Heute hatte mein Sohn seinen ersten Schultag. Peter und ich waren extra früher da, um die Lage zu peilen, und kamen mit einer Lehrerin ins Gespräch – was, sagen wir mal, fakultativ war. Sie fragte, wann ich so gut Deutsch gelernt hätte. (Interessanterweise fragen die Deutschen nicht „wo“, sondern „wann“, als ginge es um den ersten Kuss.) Ich wollte ihr sagen, dass ich viele deutsche Pornos geschaut habe, antwortete aber stattdessen irgendetwas Banales.
Danach hatte ich einen wichtigen Termin bei Frau M., einer deutschen Beamtin. Es ging um die Entscheidung, wohin wir ziehen würden – wichtiger ging es nicht. Das war bereits unser dritter Termin, und schon beim ersten hatte ich Frau M. gebeten, etwas langsamer zu sprechen, damit ich sie besser verstehen konnte. Wenn sie in ihrem natürlichen Tempo sprach, klang es für mich, als würden zwei Bahnhofsdurchsagen gleichzeitig über die Lautsprecher laufen. Frau M. nahm sich das zu Herzen und sprach von da an tatsächlich langsamer. Im Tempo von Blitz, dem Faultier aus dem Film „Zoomania“. Wie mit einem Schwachsinnigen, dem man ein Diktat für die zweite Klasse vorliest. Das Thema war wichtig, und ich hätte eigentlich eine fundierte Antwort geben sollen, aber mein ohnehin unvollkommenes Deutsch löste sich in Luft auf. Ich glaube, das liegt einfach daran, dass wenn man mit dir spricht wie mit einem Schwachsinnigen, man selbst zu einem wird.
Ich wollte Frau M. schon bitten, wieder etwas schneller zu sprechen, aber ich ließ es sein. Man soll sein Glück nicht herausfordern, und was, wenn Frau M. nur zwei Modi kennt: ICE und Faultier? Außerdem kann man bei 10 km/h wenigstens keinen Unfall bauen. Und endlich verstand ich ja auch alles.
Frau M. schickte Peter und mich dorthin, wohin wir wollten, und die Stadt K. stimmte zu. Am Ende des Gesprächs wünschte Frau M. dem Kind und seinem schwachsinnigen Vater ei-ne gu-te Rei-se und ei-nen er-folg-rei-chen Start in das neu-e Le-ben.
Ich bedankte mich herzlich bei Frau M. und lief Pe-ter hin-ter-her.